Man pöbelt gut angezogen

Klimaneutral
Was ist denn das schon wieder für ein euphemistisches Gequatsche? Passend zum „Earth Day“ am 22. April flattern hier in mein Postfach dutzendweise Werbenachrichten rein. „Atmungsaktive“ T-Shirts aus „recycleter“ Baumwolle, aufgehübscht mit Namen wie „Earth Positive“ aus Bambus-Viskose, die reinsten „Bio-Klassiker“. Was zum…?!
Na schön, gegen diese Alltagsbullshittigkeit hilft: Blogeintrag Marke „radikaler Subjektivismus“.

Klimaneutral, das heißt für die Firmen nichts anderes als: Pflanze ein paar Bäume, lasse dich öffentlichkeitswirksam mit chilenischen Bergbauern fotografieren, nagle dir das Kyoto-Protokoll übers Klo, dann kannst du in aller Ruhe den gleichen Scheiß weiter produzieren und verschicken, den du zuvor auch schon produziert und verschickt hast. Nur, dass sich dann nachher keiner mehr aufregt und dir ans Bein pisst, weil du artig in „Nachhaltigkeitsprojekte“ investiert. Noch so ein Wortmonster.

Bei solchen sprachlichen Beschönigungen denke ich immer an Wörter wie „Entsorgung“ (macht euch um das Strahlen unseres Atommülls keine Sorgen, der verschwindet untertage und damit aus dem Sinn) oder „Nichtraucherschutz“ statt „Rauchverbot“. (Hey, wir sind die Guten, wir schützen euch Nichtraucher vor Ungemach, anstatt euren lasterhaften Rauchfrevel zu verbieten). Klingt doch viel schöner.

Zurück zum bad simple english. Das erinnert mich heute alles irgendwie an Edelgard Bulmahns „Bildungsoffensive“ Brain-Up! vor ein paar Jahren. Na dann: Hoch das Hirn! Ein anderes Werbebeispiel aus meinem Postfach: DHL Deutschland. Deren umweltschonende, weil klimafreundliche Päckchen (jetzt sind wir nicht mehr nur neutral, sondern auch noch freundlich zum Klima) apportieren bei Zuruf „GoGreen!“ sabbernd Tofu-Würstchen. Ja sind denn jetzt alle im „Yes, we can the Welt retten und environmentally safe produzieren“-Geisteswahn vollkommen matschbirnig geworden und realisieren nicht, dass sie im weltrettenden Freudentaumel im Anglizismensumpf zu versumpfen drohen? GoGreen? Yeah, steckt euch erst mal den Finger in den Po und werdet nüchtern. Go nüchtern! Das ist die Parole.
Dabei frage ich mich: Woher rührt eigentlich diese sprachliche Unterwürfigkeit der Deutschen? Da muss ich mal was drüber machen.

Sebastian: „Ich brauche immer so einen Grundgroll, um kreativ zu sein.“
Selina: „Das ist dein Gleichmut. Du bist zu jung, um gleichmütig zu sein.“

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